Killerspiele im Sonderangebot

Ein friedlicher Samstagseinkauf, irgendwo in Südwestdeutschland. Ich pilgere wie üblich mit einem Einkaufswagen auf den Markteingang zu, als ich einen Sonderverkauf entdecke. Heruntergesetzte Computerspiele, für um die 10€.

Ich nehme mir also die Zeit um zu sehen, was es dort als Schnäppchen zu finden gibt. Mein erster Blick fällt auf eine Packung DOOM 3. Ich greife zu, sehe den Preis und dann dämmert es. Moment, denk ich mir noch und sehe genauer hin. “Uncut” und “US-Version” sehe ich da. Die Altersangabe der USK ist mit einem Preisaufkleber überklebt. Ich ignoriere die weiteren Ego-Shooter und nehme eine andere DOOM 3 Packung. Selbes Bild, die USK-Angabe ist mit einem Preissticker abgeklebt.

Argwöhnisch drehe ich die Packung und erkenne einen einfachen roten Aufkleber mit schwarzer Schrift: “ab 18″. Auf dem bunten Titelzug der Packung geht er schon etwas unter.
Zur etwas jüngeren Verkäuferin schielend frage ich mich misstrauisch, ob diese junge Dame denn weiß, dass sie böse, böse Killerspiele an potentielle Amokläuferkinder verkauft. Auch ob sie die Kunden, die das Spiel kaufen auf ihr Alter überprüft oder den Eltern der Kinder wenigstens den Hinweis gibt, das das Spiel nichts für ihre kleinen Racker ist.

Ein paar Wochen verfolge ich nun schon den Wirbel um den jüngsten Amokläufer-Fall. Bei dem Gedanken an den Becksteinsche Vorstoß (Killerspiele in Verbreitung und Produktion in Deutschland ganz verbieten zu lassen) steigt in mir immer wieder unerklärliche Wut auf über die aberwitzigen Entwicklungen. Ich versuche trotzdem einmal möglichst neutral zu bleiben.

Killerspiele, gewaltverherrlichende Medien… die dazugehörigen Debatte und ihre Wortführer betonen immer die Intention die lieben Kinder zu schützen. Aber heißt ein Verbot automatisch Schutz? Und in welchem Maß müssen unsere Kinder geschützt werden?
Ich gehe einfach mal davon aus, dass Kindererziehung zum Ziel hat, Kinder zu guten Menschen zu erziehen, die selbstständig ihr Leben führen können. Wer hat daran Anteil?
Keiner hat mehr Einfluss über einen großen Zeitraum hinweg auf seine Kinder als die Eltern. Weiterhin sind z.B. Lehrer und Kindergärtner zu nennen, die einen Teil des Tages die Kinder betreuen. Nur im Zusammenspiel können diese Parteien ihre Aufgabe bewältigen. Das Abschieben der Verantwortung einer Gruppe an eine andere ist nicht möglich ohne das Ziel zu gefährden. Das ist leider Alltag in Deutschland.

Vernachlässigung ist die Ursache für viele Probleme unter Kindern und Jugendlichen. Mit ihrer blühenden Phantasie kann jedes Medium, ob Buch, Film oder Spiel theoretisch einen psychischen Knacks auslösen (in dem Kontext verstand ich schon die Debatte um die Kinderfreundlichkeit der Harry Potter-Filme befremdlich). Lässt man ein Kind unbedarft auf ein Medium egal welcher Art zugreifen ergibt sich also die Möglichkeit, dass es dadurch Schaden nimmt. Hier die Verantwortung an den Staat abzugeben ist falsch. Der kann nichts anderes als Verbote und Regulierungen zu erlassen, mit denen man nicht nur scheinbar die Kinder schützt sondern auch die eigenen Freiheiten aufgibt. Im Prinzip ist das nichts anderes als selbst auferlegte Zensur.

In der PC Action glaub ich gab es vor Jahren passend zum Erscheinen von “Return to Castle Wolvenstein” einen Artikel dazu. Darin hieß es sehr grob, die Mehrheit müsste auf brutale Egoshooter verzichten, damit die Minderheit nicht durch sie auf dumme Ideen kommt. Klang für mich damals auf den ersten Blick plausibel, aber wenn man es einmal genauer betrachtet heißt es nur, dass die Minderheit die Mehrheit bestimmt.

Die Selbstzensur wäre vielleicht noch zu verkraften, wenn es die Sache wert wäre, aber das ist sie nicht. Der vermeintliche Schutz ist nichts anderes als das Umgehen eines Problems, damit man es nicht lösen muss. Zum Ziel kommt man mit dem Umweg nicht.

Warum fragt sich niemand, warum es früher keine Amokläufer-Kinder gab? Wer sagt, es wären die modernen Medien Schuld, den Verweise ich auf Disneys Peter Pan, in dem unter anderem von “Hand abhacken und dem Krokodil zum Fraß vorwerfen” die Rede ist. Theoretisch ist alles gefährlich. Warum verbieten wir nicht das Spiel Räuber und Gendarme, denn den Räuber zu spielen führt zu kriminellem Verhalten? Alles eine Frage, ob man lernt das eigene Verhalten zu reflektieren und sich selbst in Frage zu stellen. Es läuft alles darauf hinaus, wie man mit dem umgeht, was man tut. Das man lernt Verantwortung zu tragen. Das man lernt Spiel und Realität zu unterscheiden.

“Medienkompetenz fördern.” ist die Lösung des Problems. Wie soll ein Kind mit seinem späteren Leben fertig werden, wenn man ihm alle aufkommenden Hindernisse aus dem Weg räumt? Klar, in bestimmten Altersklassen sollten Kinder noch keine Leiche im Film vorgesetzt bekommen. Blutspritzende Gewaltorgien sind auch eine Klasse für sich. Es muss allerdings darauf hinauslaufen, den Horizont des Kindes zu erweitern, zu öffnen. Die Flut an neuen Informationen und Reizen sollte in Maßen erfolgen, will man nicht, dass sein Kind dabei ertrinkt.

Betreuter Medienkonsum ist dabei natürlich angebracht, und auch keine neue Erkenntnis, wird dies doch seit Jahren gepredigt. Man sollte die Kinder bei der Überschreitung von solchen Grenzen nicht alleine lassen. Eltern sollten sich zusammen mit ihren Kindern Fernsehsendungen ansehen oder mit ihnen die Videospiele spielen, die sie interessieren. Dann können die Eltern sich ein Bild davon machen, was ihre Kinder so treiben.

Es ist außerdem wichtig, dass die Eltern dabei unterstütz werden. Altersfreigaben bietet einen guten Ansatz, dieser wird aber meiner Meinung nach viel zu selten beachtet. Oben genannte Verkäuferin z.B. müsste darauf achten, wem sie DOOM 3 mitgibt, mit Ausweiskontrolle. Eine Altersfreigabe ist übrigens auch kein Patentrezept, denn das geistige Alter kann sich deutlich vom körperlichen unterscheiden. Da wären die Eltern wieder in der Verantwortung…

Nur mit einer guten Medienkompetenz erzieht man ein Kind so, dass es später selbstständig mit Medien umgehen kann. Als junger Erwachsener versteht es dann Nachrichtensendungen, in denen es um Tod, Krieg und Seuchen präsentiert bekommt ohne abgestumpft abzuwinken. Eben weil es weiß, dass was es sieht real ist. Es verkriecht sich auch nicht hinter dem Sofa, weil es die Bilder zu Tode erschreckt. Der Umkehrschluss: Bei einem Katastrophenfilm im Kino reagiert es nicht panisch, weil es weiß, dass dies nicht die Realität ist.

In diesem Sinne, für mehr Aufklärung, gegen Hexenverbrennung neuer Medien!
P.S.:
Was ich mich frage, warum wird immer versucht bei jungendlichen Amokläufern eine Verbindung zu brutalen Filmen / Spielen zu finden, wenn die offensichtliche Gemeinsamkeit der Tatort, die Schule ist? Sollte man Schulen verbieten? ;-)
Es ist übrigens eine interessante Entwicklung, dass nach dem Fernsehen nun erst das Video-/Computerspiel der soziale Sündenbock ist. Interessant ist auch, dass es mittlerweile nicht mehr kollektiv Computerspiele sind sondern nur noch die Killerspiele, die Aufsehen erregen….die Akzeptanz wächst wohl.
P.P.S.: Ich hab mir DOOM 3 übrigens nicht gekauft. Aus dem Alter für Ego Shooter bin ich wohl raus…

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